Die zweite Menschwerdung


Im vergangenen Jahr gab es heftigen Wirbel um eine Karikatur in der »New York Post«. Sie zeigte einen erschossenen Schimpansen, und den Schützen, der kommentiert: »Sie werden wohl jemand anderen finden müssen, der das nächste Konjunkturprogramm schreibt.« Die Zielrichtung ist klar: Präsident Obama. Doch offenbart die Karikatur nicht nur den Rassismus seines Schöpfers, sondern auch ein gehöriges Maß an Dummheit. Denn biologisch sind Affen uns – selbst dem Karikaturisten – weit ähnlicher, als fundamentalistischen Christen lieb sein dürfte. Das gilt insbesondere für Schimpansen. Eine Gruppe von Evolutionsbiologen um Soojin Yi vom Georgia Institute of Technology in Atlanta verglich die sogenannte molekulare Uhr von Menschen und Schimpansen, das heißt die Rate der genetischen Veränderungen in einem bestimmten Zeitraum. Und da zeigte sich – so schreiben sie im Fachblatt »Proceedings of the National Academy of Sciences« (DOI: 10.1073/pnas.0510716103) – das Erbgut von Homo sapiens und Pan troglodytes, (lateinisch für Schimpanse) verändert sich mit nahezu der gleichen Geschwindigkeit.

Die Geschwindigkeit, mit der die molekulare Uhr tickt, ist zugleich ein Hinweis auf die Zeitspanne bis zum Erreichen der Geschlechtsreife. Wenn diese nun bei den Schimpansen nur drei Prozent schneller tickt als beim Menschen, so sieht Yis Team darin ein deutliches Zeichen der genetischen Nähe zwischen beiden Arten. Zu den anderen Menschenaffen ist der Geschwindigkeitsunterschied mit elf Prozent deutlich größer. Yi geht deshalb noch einen Schritt weiter: »Wir haben nicht nur ein extrem ähnliches Erbgut, sondern auch fast gleiche Zeitspannen von einer Generation zur anderen.« Yi weiter: »Menschen und Schimpansen sollten einer Gattung angehören.«

Der Zoologe und Biochemiker Morris Goodman von der Wayne State University in Detroit haut in die gleiche Kerbe: 99,4 Prozent der wichtigsten DNA-Sequenzen der beiden Spezies sind identisch. »Mit dieser Ähnlichkeit zählen die beiden lebenden Schimpansen-Spezies (Pan troglodytes und Pan paniscus) zur Gattung Homo«, so Goodman. Der kleine Unterschied zwischen den Genotypen reflektiert die erst vor evolutionär kurzer Zeit vollzogene Divergenz zwischen Schimpansen und Menschen vor etwa fünf bis sieben Millionen Jahren.

Diese Einsichten berühren nicht nur die bisherige Taxonomie der sogenannten Hominiden, sondern auch die schon lange umstrittene Verwendung von Schimpansen bei Laborexperimenten und auch den Umgang mit ihnen in freier Wildbahn.

Yis Vorschlag ist in der Wissenschaft nicht neu: Der Physiologe und Ökologe Jared Diamond nannte bereits 1991 den Menschen in seinem genialen Buch den »Dritten Schimpansen«. Damals fehlten jedoch noch die genauen genetischen Informationen.

Bei der Suche im Internet stoße ich beim Suchbegriff »Monkey, President« auf eine riesige Fotosammlung: Allerdings wird dort zumeist Ex-Präsident George W. Bush als Beleg für die menschliche Evolution bildlich dargestellt. Frappierende Ähnlichkeiten zeigen sich!

Da wird man wohl bald aus den USA von selbstbewussteren Schimpansen hören, die beim Obersten Gericht der USA gegen den beleidigenden Vergleich mit einem menschlichen Kriegsverbrecher der Art Homo sapiens Klage erheben.


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