Von Hongkong über Berlin nach Merseburg


Am Anfang der Biolumne stand das Biotech-Produkt Rotwein … Wir saßen mit Manfred Bofinger und seiner Frau und feierten unser gemeinsames Buch »Liebling, du hast die Katze geklont!«. Bofi hatte es in seiner genialen Art illustriert. Die Zusammenarbeit sah so aus: Ich rief ihn von Hongkong aus an und sagte: »Manfred, kannst Du Waschmittel-Enzyme bei der Arbeit zeigen? So kleine Männlein mit Säge und Schere? Die machen alles klein, was sie an Substraten finden.« Manfred brummelte: »Schick mir mal ein Fax mit ’ner Skizze!« Das tat ich sofort. Zwei Stunden später kam ein Fax zurück. Ein Schwein mit Krawatte und Sakko sitzt am Tisch mit einem Außerirdischen und sagt zu ihm: »Das ist ja hochinteressant! Sie als Alkalische Protease sind ebenfalls ein Allesfresser?«

Bofi hatte meine langweilige Idee ignoriert. Und so erging es jedem meiner Vorschläge! »Na gottseidank!«, kommentierten Freunde. Nach Bofi-Bildern war ich regelrecht süchtig. Wenn ein Fax von ihm aus der Maschine kroch, war es wie Weihnachten… Der Große Bofi, der schon Fibel und Mathebuch meiner Kinder illustriert hatte, schickte mir ein Fax. Geplant waren 100 Cartoons, am Ende bekam ich 68 und Bofi sagte: »Ich habe noch nie im Leben so viele Cartoons für ein Buch gemacht, sei mal nicht so gierig!«

Wie könnte ich ihm mehr Cartoons abluchsen? Bei der zweiten Flasche Rotwein brachte ich die Rede beiläufig auf künftige Projekte. Der Meister winkte ab. Er könne höchstens ab und zu »mal« was malen. Schon am nächsten Morgen schickte ich dem Wissenschaftsredakteur des ND, Steffen Schmidt, eine E-Mail. Wie wäre es mit einer Biotech-Kolumne? Wöchentlich, mit Cartoon von Bofi?! Der schrieb: »Hast Du soviel Stoff und Puste? Lass es uns mal vierzehntägig versuchen!« Er nannte das Baby »Biolumne«. Und so bekam ich wieder neue Bofi-Cartoons! Bis zu jenem furchtbaren Moment Weihnachten 2004, als kein Fax zurück kam und ich schließlich von seiner Frau Gabi hörte, er läge im Wachkoma. Unvorstellbar – dieser vitale, lebensfrohe Mensch.

Wir entschieden weiterzumachen, wollten an ein Wunder glauben. Wer könnte so lange einspringen? Die Cartoons von Ming Chow in der »South China Morning Post« gehören zu den politisch schärfsten hier in Hongkong. Ich hatte einige seiner Zeichnungen zu SARS schon in Biotech-Vorlesungen benutzt. Ich stellte ihn mir als alten, leicht zynischen Chinesen vor, zum Treffpunkt jedoch kam ein witziger junger Hongkonger. Ich zeigte ihm Beispiele – und er lehnte ab: Das könne keiner so gut wie »Bofingel«. Als ich ihm die traurige Geschichte erzählte, fühlte er sich sehr geehrt, den Meister zu vertreten. Aus der Vertretung wurde leider ein Dauerzustand.

Und so nimmt nun die Biolumne ihren Weg: Die Idee wird in Hongkong mit Ming beredet, dann geht die Rohfassung zu meinem treuen Freund Wolfgang Meyer in Berlin, der schon das Katzenklon-Buch korrekturgelesen hat. Wir nennen ihn auch Argus. Er findet Ungereimtes und kürzt drastisch, oft schmerzhaft für den Autor. Der Redakteur findet dann meist auch etwas zum Verbessern und Kürzen. E-Mails sausen zwischen Hongkong und Berlin. Ming und ich faxen Cartoon-Ideen hin und her. Und am Samstagmorgen eilt meine 77jährige Mama um 8 Uhr zum Bahnhof in Merseburg und ergattert eines der fünf NDs. Um 15 Uhr Hongkonger Zeit klingelt ihr Telefon: »Hallo, Mutter?! Hast Du die Zeitung? Kann man alles verstehen?«

(neues deutschland vom 15.4.2006)


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