DNA und Kirchenbuch (1)


Also, man sieht es mir nicht an, aber ich bin eigentlich Kenianer, vielleicht sogar aus dem Nachbardorf von Barack Obama! Das weiß ich aus der DNA-Analyse meiner  meiner Mundschleimhaut, genauer: der Analyse des männlichen Y-Chromosoms. Die DNA wurde für 150 US-Dollar  im Labor von “Genographic Project” untersucht. Man analysierte das männliche Y-Chromosom und speziell sogenannte “snips”. Das sind  DNA-Mutationen, die für bestimmte Menschengruppen typisch sind. Meine genetische Haplogruppe ist E3b (M35). Das Projekt hat sagenhafte 579.685 (Stand Februar 2013) Menschen in aller Welt analysiert (https://genographic.nationalgeographic.com/). Auf IBM-Großrechnern sind die Daten gespeichert.

Hier die Kurzfassung: Mein Vorfahre mit dieser Haplogruppe wanderte vor rund 40 000 Jahren aus dem Gebiet des heutigen Kenia nach Norden und durchquerte  dafür, natürlich überlebend, die Sahara. Sie war durch das Abschmelzen des europäischen Eises für kurze Zeit grün und bewohnbar geworden. Kurz danach war diese “Tür in die Welt” wieder geschlossen. Man muss sich mal klarmachen, dass WIR ALLE, DIE  HEUTE LEBENDEN, die erfolgreichsten Lebewesen der Erdgeschichte sind. Wäre etwa der Tümpel, in dem unsere kaulquappenartigen Vorfahren lebten, ausgetrocknet, würden wir heute nicht diese Zeilen lesen. Wäre unser Ahne damals in der Sahara verdurstet, wären wir nicht hier!

Weiter ging die Wanderung dann über Ägypten und Israel. Meine DNA-Spur endet väterlicherseits vor rund 10 000 Jahren in Griechenland und bei der Mutter, aus der Mitochondrien-DNA analysiert, in Siebenbürgen. Und wie ging es weiter? Hier helfen nur Schriftdokumente in Form von  Kirchenbüchern, Gott sei Dank! Auf die sogenannten “Ariernachweise” der NS-Zeit kann man wenig bauen, demnach bin ich vollständiger “Arier”, obwohl wir doch tatsächlich auch in Israel waren. Gute Christen halfen damals, die jüdischen Verwandten beim Nachweis zu verschweigen. Das rettete im Dritten Reich des offensichtlich nicht blonden und nicht blauäugigen Herrn Schicklgruber Menschenleben.

Wir zwei Biolumnisten meldeten uns im Kirchenarchiv Magdeburg an. Hier wälzten wir die aus dem gesamten Gebiet der ehemaligen preußischen Provinz Sachsen ordentlich zusammengetragenen Kirchenbücher: Hochzeiten, Geburten, Begräbnisse, alles akribisch aufgezeichnet. Die staubigen Bücher bekamen wir leider nicht in die Hand, alles abfotografiert auf derzeit über 7 000 Mikrofilmen. Ganz toll, aber niederschmetternd viel! Und in der uns fremden Kurrentschrift aufgezeichnet, die uns rätselhaft und geheimnisvoll erscheint.

“Oh, mein Gott! Das kann ja Wochen dauern!” seufze ich fauler Mensch. Dann entdecken wir einen jungen Mann, der virtuos mit den Dokumenten jongliert und die Mikrofilme der Kirchenbücher versiert durchackert. Ein Profi!? Wir sprechen ihn kurz entschlossen an. Zum Glück, wie wir heute wissen.


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