Wer Sorgen hat…


Sie sind jung, männlich und wurden nicht nur einmal, sondern gleich Dutzende Male von offenbar sehr attraktiven Weibchen abgelehnt. Dann machen sie flugs, was frustrierte Männer so tun: Alkohol als Balsam auf die wunde Seele gießen. Die Rede ist von männlichen Fruchtfliegen in Glas-Containern, nicht in der Disco!

Der Neurogenetiker Dr. Galit Shohat-Ophir vom Howard Hughes Institute auf dem Janelia Farm Research  Campus, im US-amerikanischen Ashburn  experimentierte nach einem Bericht der Science mit 24 männlichen Drosophila melanogaster. Die Hälfte wurde in drei Vierergruppen mit 20 (!) Weibchen pro Gruppe verbracht. Zustände wie im orientalischen Harem. Alle Fliegen-Frauen waren bereit zur Paarung also hatte jeder Bursche mehrere Geliebte. Die andere Hälfte wurde allein mit einer einzigen Dame etabliert, also streng monogam. Das Komplizierte daran war, dass die Einzige, Miss Drosophila,  bereits befruchtet war und sie sich dem neuen Galan standhaft sexuell verweigerte. Nach vier Tagen wurde das Experiment beendet und die Kerle kamen in neue Container mit Kapillaren, gefüllt mit Futtersaft mit und auch ohne Ethanol. Jede Fliege konnte nun frei entscheiden. Die Forscher maßen den exakten Futter- und Alkohol-Verbrauch.

Erwartet wurde ganz klar von den Forschern, dass alle nach dem Ausflug dem Alkohol zusprechen würden, aber weit gefehlt: Die erfolgreichen Jungs hatten sogar eine gewisse Aversion gegen das berauschende Futter! Dr. Shohat-Ophir schreibt: ”Aber die zuvor abgelehnten Männchen tranken im Durchschnitt immerhin VIERMAL MEHR als die Glückspilze!“ Shohat-Ophir vermutet, dass Neuropeptide F (NPF) im Gehirn der Fliegen eine Rolle spielen. Abgelehnte Fliegenmänner hatten nämlich nur die halbe NPF-Konzentration im Gehirn. Wenn umgekehrt die Rezeptoren für NPF experimentell im Hirn vermindert wurden, tranken auch die sexuell Erfolgreichen mehr Alkohol. Wenn die NPF-Sensitivität aber erhöht wurde, waren die enttäuschten Männer auch nicht mehr alkoholsüchtig.

Shohat-Ophir sagt, dass „soziale“ Erfahrungen übersetzt werden in Moleküle über das NPF-Niveau im Körper. Umgekehrt steuert NPF aber auch das soziale Verhalten: Trinken oder Abstinenz, so dass das Belohnungssystem des Körpers zum Normalwert zurückfindet. In Säugetieren gibt es ein ähnliches Protein, das Neuropeptid Y (NPY). Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Depressionen und posttraumatischem Stress-Syndrom niedrigere Konzentrationen von NPY im Blut haben. Bei Ratten korreliert das mit erhöhtem Alkohol- und Drogenkonsum. Ob NPY mit sozialen menschlichen Erfahrungen zusammenspielt, bleibt zu untersuchen.

WIE funktioniert das Zusammenspiel nun mit der menschlichen Seele auf Molekül-Ebene? Wir sind gottseidank keine Fliegen, aber doch verwandt. Ganz einfach, was schwer zu machen ist: Rundum glücklich sein! Und Alkohol? Der weise Kenner des Menschen Wilhelm Busch meinte: „Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör“.


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