Tücken der Fettsenker


Wir hätten immer gern Gewissheiten, wohl wissend, dass es die selten gibt. Gewiss ist, dass der menschliche Organismus Cholesterin benötigt. Sicher ist auch, dass ein Zuviel davon schadet. Es begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und die, und das ist ebenfalls sicher, sind derzeit Haupttodesursache in den Industrienationen.

Das Cholesterin unseres Körpers stammt nur teilweise direkt aus der Nahrung, den größten Teil produzieren wir selbst. Obwohl fast jedes Organ das kann, ist der Hauptbildungsort die Leber. Als Bestandteil verschiedenster Lipoproteine zirkuliert Cholesterin im Blut. Als LDL (Low Density Lipoprotein) wird es von den Zellen bei Bedarf aufgenommen, auch die Leber besitzt Rezeptoren dazu. So wird es im Blut durch Zu- und Abfluss geregelt. LDL-Cholesterin ist es auch, das uns am meisten arteriosklerotisch gefährdet.

Gewiss kann man den Cholesterin-Spiegel durch Ernährung und körperliche Aktivität beeinflussen. Obwohl dem Grenzen gesetzt sind, sollte man die eigenen Möglichkeiten dazu stets ausloten. Doch beim Älterwerden oder wenn bereits eine Erkrankung vorliegt, reicht das oft nicht aus. Mittel der Wahl sind dann meist Statine. Ihre Hauptwirkung ist wahrscheinlich die Hemmung eines der Enzyme der Cholesterinsynthese.

Statine wirken  häufig sehr effizient. Langzeitstudien zeigen, dass das tatsächlich die Herz-Kreislauf-Mortalität senkt. Doch auch der Statinwirkung sind Grenzen gesetzt. Die scheinen durch die LDL-Aufnahme in die Leber bedingt. In den Focus geraten ist dabei ein Protein, das PCSK9 genannt wird. Von der Leber gebildet und ans Blut abgegeben, bindet es gemeinsam mit LDL an dessen Rezeptor. Geschieht das, wird der Rezeptor nicht weiter genutzt, sondern zerstört. So verbleibt mehr LDL im Blut. Und so scheinen die Statine auch ihre Wirkung selbst zu begrenzen, da sie nebenher die Bildung von PCSK9 steigern. Kein Wunder, dass dieser Befund das Interesse großer Pharmakonzerne geweckt hat. Da winkt ein Milliardengeschäft! Es wurden Antikörper erzeugt, die PCSK9 reduzieren. Die ersten Ergebnisse  ihrer Anwendung liegen jetzt vor. (DOI: 10.a1056/NEJMe1502192)

Sicher ist bereits, dass bei gleichzeitiger Wirkung von Statinen und PCSK9- Antikörpern der Cholesterinspiegel auf bisher unerreicht niedriges Niveau gesenkt werden kann. Doch ungewiss ist, ob damit die Haupttodesursache drosselbar ist oder ob, ähnlich wie bei medikamentöser Hemmung der Nahrungs-Cholesterinaufnahme im Darm, nur ein geringer zusätzlicher Nutzen erzielt werden kann. Ungewiss auch, wie niedrige Spiegel wirklich wünschenswert sind. Ob mit zu wenig Cholesterin eventuell andere Erkrankungen begünstigt oder gar erzeugt werden. Denn soviel ist sicher, ganz ohne Nebenwirkungen ist ein wirksames Medikament nicht zu haben! Nutzen und mögliche Risiken müssen in akzeptablem Verhältnis stehen! Langzeitstudien dazu wurden bereits begonnen. Man darf gespannt sein, welche Gewissheiten sie bringen werden.

 


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