Gene mit Geschmack


»Sieht toll aus, schmeckt aber intensiv nach … naja … nichts!« Eine neue Studie zeigt: Durch Jahrzehnte intensiver Züchtung wurden die Tomaten jener Gene beraubt, die den Zuckergehalt steigern. Und das zugunsten einer einheitlichen prächtigen Farbe. Diese Erkenntnis sei immerhin ein Fortschritt, um die Entwicklung und Reifung von Tomaten zu verstehen, meint Alisdair Fernie. Er erforscht die chemische Zusammensetzung von Tomaten am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.

Farmarbeiter pflücken die Früchte, bevor sie reif sind. Seit etwa 70 Jahren haben die Züchter Tomaten mit einheitlichem Hellgrün selektiert. Dies ist einfach und garantiert zudem, Tomaten in den Supermarktregalen nach einer gewissen Zeit in leuchtend roter Farbe zu sehen. Wildformen dagegen sind dunkelgrün, und das macht es schwieriger, den richtigen Erntezeitpunkt zu bestimmen, sagt Ann Powell, Agrarwissenschaftlerin an der University of California in Davis. Um das Gen, das hinter dem Farbwechsel steckt, zu finden, kreuzten Powell und ihre Kollegen kultivierte Tomatensorten mit wilden Arten. Durch die Auswahl der Pflanzen mit dunkelgrüner Reifephase und durch Zurückkreuzen der kultivierten Sorten grenzten sie den Abschnitt auf Tomaten-Chromosom 10 ein.

Mit Hilfe der kürzlich entzifferten Tomaten-Genom-Sequenz identifizierten sie dann das Gen als SlGLK2 – einen sogenannten Transkriptionsfaktor. Der steuert, wann und wo andere Gene ein- oder ausgeschaltet werden. In wilden Tomaten steigert SlGLK2 die Bildung von Chloroplasten für die Photosynthese. Eine höhere Anzahl von Chloroplasten gibt aber Wildtomaten ein dunkleres Grün. In den meisten Tomaten im Supermarkt ist SlGLK2 jedoch inaktiv, weil dort, wo die Base Adenin nur sechsmal stehen sollte, sieben sind. »Wir haben etwa ein Dutzend Sorten untersucht, eine aus Asien, einige aus Europa und alle hatten die gleiche Mutation«, berichtet Powell. Die Forscher wissen allerdings nicht genau, woher die Mutation ursprünglich stammt.

Während die Mutation dem Auge reichlich Farbe bietet, bleibt das Aroma für den Genießer auf der Strecke. Tomaten mit einem mutierten Gen SlGLK2 haben nicht nur weniger Chloroplasten. Sie sind »kraftloser«, weil sie dadurch auch weniger Zucker produzieren. Durch Einsetzen einer intakten Genkopie in die Tomaten steigerten die Wissenschaftler die Menge an Glucose und Fructose in reifen Früchten um bis zu 40 Prozent, so die Autoren im Fachjournal »Science« (Bd. 336, S. 1711). Am Institute for Plant Innovation der Universität Florida forscht Harry Klee an den immerhin 400 Geschmackssubstanzen der Tomate.

In vier bis fünf Jahren soll die Supertomate durch traditionelle Zucht da sein. Klar ist jetzt schon: Die Königin des Geschmacks wird wohl nicht auch Schönheitskönigin sein. Das Leben ist eben ein Kompromiss.


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