(Öl-)Kaiser von China


“Willst Du mal den Fleck in Hongkong sehen mit der größten Kapitaldichte von ganz Asien?”, fragte mich mein chinesischer Freund Paul neulich. “Klar! Das muss ein Banktresor sein…” Dann führte Paul mir in seiner Firma zehn Kühlschränke vor. Plötzlich war ich auf menschliche Organe zur Transplantation aus China gefasst. Horror! Doch Paul Kaan ist Buddhist, Vegetarier und ein Philanthrop – eine seltene Ausnahme unter den Haien in Hongkong. Die Schränke enthielten vermoderte Baumscheiben, manche riesig. Sie hatten keine Jahresringe, also war es Tropenholz, und sie waren im Innern schwarz-ölig.

“Hongkongs Name Duftender Hafen kommt nicht etwa von unserem stinkenden Naturhafen und auch nicht vom Geruch des Geldes, nein: vom köstlichen Duft brennender Öle in den Tempeln der Stadt“, erklärt Paul. “Agarwood-Öl ist dabei das beste, wohlriechendste und deshalb wohl auch das teuerste Öl der Welt…und HIER kommt es her!” Agarwood wird das Hartholz der oft hundertjährigen tropischen Bäume der Gattung Aquilaria genannt. Das Agar-Holz sieht nach einer Pilz-Infektion schwarz-verfault und ölig aus. Das ist aber der eigentliche Schatz! Die Bäume findet (oder besser fand) man in den Regenwäldern Süd-Asiens: in Indonesien, Thailand, Vietnam und Malaysia.

Der mikroskopische Pilz Phaeoacremonium parasiticum befällt diese uralten Bäume und offenbar nur die Alten. Der Pilz bringt sie aber nicht um. Es sind die geldgierigen Menschen, die Urwaldriesen gnadenlos abholzen. Aquilaria-Bäume versuchen aktiv die Pilz-Infektion zurückzudrängen. Sie bilden dazu ein schwarzes Harz, das Hunderte hochkomplizierter chemischer Verbindungen enthält. Ein Wunder der Bio-Synthese! Die flüchtigen Verbindungen des Harzes haben die Asiaten seit hundert Jahren als Öl abdestilliert. Solche Öle, kommerziell sehr interessant, werden auch von anderen Bäumen produziert: Sandelholz, Rosenholz, Zedern, Kampfer. Jedoch ist kein Öl ist so wertvoll wie das Agarwood-Öl. Der Grund: es gibt kaum noch alte Bäume in Asien.

Mein Freund Paul hat das weise vorausgesehen. Vor zehn Jahren kaufte er alle noch verfügbaren pilzbefallenen Agarwood-Reserven Asiens auf. Paul bittet mich um eine Schätzung seiner Reichtümer und ich liege total falsch. “Ich habe, nun ja, das Weltmonopol”, meinte er vielsagend lächelnd. Nun will Paul Kaan Geld in die biotechnologische Forschung investieren: Wie wird das komplizierte Öl vom Baum synthetisiert? Warum nur von uralten Bäumen? Wie wechselwirkt der Pilz mit den Pflanzenzellen? Kann man auch andere Pflanzen, z.B. Moose, zur Ölproduktion nutzen? Kann man das Öl medizinisch anwenden, es auch in pflanzlichen Zellkulturen herstellen, die pilz-infiziert werden? Der Preis für biotechnologisches Agarwood-Öl würde dann zwar drastisch fallen, aber medizinische Anwendungen wären erschwinglich und vor allem: ein sanfter Wohlgeruch würde dann wieder vielleicht wieder über Hongkong liegen.


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