Die Ein-Kind-Familie


Fragt man in Hongkong Studenten aus den Städten der Volksrepublik nach der werten Familie, sollte man peinlichst die Frage nach  Geschwistern vermeiden. Eigentlich unglaublich: Seit 1979 kennen die meisten jungen Chinesen städtischer Herkunft weder Bruder noch Schwester und auch keine Onkel und Tanten! Und es ist allgegenwärtig zu beobachten: Die kleinen Prinzen und Prinzessinnen sind allesamt verwöhnte Egoisten. Die ganze Sippe schaut auf die verhätschelten reichen Einzelkinder, die Armen! Und das bei den so familienfreundlichen  Chinesen!

Das wohl größte familienpolitische Experiment der Geschichte steht  nun offenbar vor seinem grandiosen Scheitern. Fakten: Es gibt heute schon wegen der traditionellen Bevorzugung eines männlichen “Stammhalters” 18 Millionen mehr Jungen als Mädchen unter 15. 2020 werden deshalb 30 Millionen Männer im heiratsfähigen Alter keine Frau mehr innerhalb Chinas finden. 1965 waren es 6,2 Geburten pro Frau, 2011 nur noch 1,7. Dem volkreichsten Land der Erde, 1,35  Milliarden Menschen, gehen die Leute aus. Die Regierung rechnet vor, dass ohne die Ein-Kind-Politik das Land 400 Millionen Chinesen mehr beherbergen würde. Der neue Wohlstand wäre gleich wieder aufgegessen worden. Und: China wird dafür sogar von der UNO gelobt.

Der Preis des Wohlstands sind gruselige Zahlen: 335 Millionen offizielle Abtreibungen, 200 Millionen sterilisierte Frauen, ständige Untersuchungen auf Schwangerschaft. Ohne Carl Djerassis Wunschkind-Pille wäre das noch weitaus dramatischer! Die Nutzerinnen der „Pille“ haben sich große Schmerzen und Leid bei den teils zwangsweisen  Abtreibungen erspart.330 Millionen Dollar Strafe bei Nichteinhaltung der Auflage kommen pro Jahr an lokale Behörden zusammen, wo das Geld sofort versickert. Eine halbe Million (!) Beamte arbeitet an der Geburtenkontrolle und die wollen ihren Job nicht verlieren.

Nun sind Maßnahmen durch Premierminister Xi Jiping  angekündigt: Wenn beide Partner aus einer Ein-Kind-Familie stammten, dürfen sie nun zwei Kinder haben. Bauern allerdings durften schon jetzt ein zweites Kind haben, wenn das erste ein Mädchen oder behindert war. Allein die Tatsache, dass da kein Unterschied gemacht wurde, zeigt eine unselige Tradition, die eines sozialistischen Landes unwürdig ist. Doch zwischenzeitlich sind Kinder so teuer geworden, dass die meisten sich auf nur ein Kind begrenzen. 1400 Grundschulen wurden bereits aus Schülermangel geschlossen. In 2050 wird einer von drei Chinesen älter als 60 sein, das sind 430 Millionen! Alters- und Pflegeheime gibt es kaum.

In Hongkong liegt die Lebenserwartung bei 80,6 Jahren und es werden 1,2 Kinder pro Frau geboren. Diese Geburtenrate ist zwar niedriger als die oben erwähnte von China. Sie ist jedoch auf den Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Gebieten zurückzuführen. China zeigt der Welt, dass man schnell aus Fehlern lernt und man zuallererst das System stabilisiert, ehe man es umbaut.


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