Beinahe ein Ford


Im Osten heiß geliebt, im Westen unterschätzt und belächelt: der Trabbi. Der VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau fertigte von 1957 bis 1991 über drei Millionen Autos für das In- und Ausland. Der “Volkswagen der DDR” war ein PKW für vier Personen und Gepäck. Der Name Trabant bedeutet Begleiter oder Weggefährte, ebenso wie das russische Wort Sputnik. Nach dem 4. Oktober 1957 fuhr der Sputnik-Schock dem Westen in die Glieder: die unverwundbaren USA waren nun für sowjetische Interkontinentalraketen erreichbar!

Der Trabant, der auf der Leipziger Messe vorgestellt wurde, überzeugte ein begeistertes DDR-Publikum. Die Werbung lobte den “geräumigen Innenraum, die großen Fensterflächen sowie ein stimmiges, das dem Geschmack der Zeit entsprechende Design. Mit über 400 Litern Kofferraumvolumen war er der erste Kleinwagen mit Frontantrieb der DDR, den sich zudem viele leisten konnten. Die Außenhaut der Karosserie wurde aus Kunststoff hergestellt. Tiefziehblech stand auf der Embargoliste des Westens und war daher rar und teuer. Sowjetisches Tiefziehblech erwies sich als total ungeeignet. So erhielt der Trabant eine selbsttragende Karosse aus Stahlblech. Deren äußere Beplankung bestand zum größten Teil aus baumwollverstärktem Phenoplast. Kurze Baumwollfasern aus der Sowjetunion wurden zu Vliesmatten verdichtet und mit Phenolharz aus der Destillation von heimischem Braunkohleteer verleimt.

Die Karosserieteile wurden laut Wikipedia mit Klebestreifen aus Buna-Kautschuk an den Nahtstellen sowie einzelnen Schrauben an stark beanspruchten Stellen mit dem Stahlgerippe verbunden. Diese sehr moderne Kunststoffhülle hatte eine Reihe von Vorteilen: Stabilität, Wetterfestigkeit und leichte Verfügbarkeit. Bioabbaubar war sie nicht, was aber damals noch kein Thema war.

Und wieso war Henry Ford der Urvater des Trabbis? Der spätere Autozar wurde 1863 auf einer Sojabohnen-Farm geboren. Zeitlebens blieb er der Landwirtschaft verbunden und meinte bereits 1934, dass eines Tages Autoteile auf Farmen wachsen würden. Sein Soybean Car stellte er 1941 der Öffentlichkeit vor. Vierzehn sojafaserverstärkte Karosserieflächen auf konventionellem Fahrgestell führten zu einer Gewichtsreduktion von 3000 auf 2000 Pfund, umgerechnet von 1,4 auf 0,9 Tonnen. Auf nachwachsende Rohstoffe wurde wegen der damaligen Knappheit an Metall zurückgegriffen. Der 77jährige Henry Ford demonstrierte mit einer Axt den staunenden Journalisten die Festigkeit einer Soja-Kofferhaube. Zu sehen auf YOUTUBE: https://www.youtube.com/watch?v=Xea0RzKX17k&hd=1. Die Axt federte zurück ohne jegliche Wirkung! Keiner der höflichen Presseleute wollte das wiederholen. Danach lud Ford zu einem 14-Gänge-Soja-Menü. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde dieses Autoexperiment eingestellt. Nach dem Krieg fiel das Projekt bei den Wiederaufbaumaßnahmen unter den Tisch. Plastik aus Petrochemie war preiswerter.

Die Idee lebt aber im legendären Trabbi weiter.

 


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