So ein Braten enthält wertvolle Eiweiße (Proteine), die uns wichtige Aminosäuren liefern. In diese müssen die oft riesigen Eiweißmoleküle gespalten werden, ehe wir sie nutzen können. Doch selbst, wenn uns voller Vorfreude das Wasser im Munde zusammenläuft, geschieht mit den Eiweißen beim Kauen kaum etwas. Der Speichel, der sich da fließend sammelt, enthält keine Enzyme zu ihrer Verwertung. Erst wenn so ein Bissen in den Magen rutscht, steht dort mit dem Pepsin ein Enzym für die Proteinverdauung bereit. Pepsin ist das wichtigste Enzym, das der Magen liefert. Aber der Magen bildet etwas noch Wichtigeres: Salzsäure. Nein, Nahrungseiweiße aufspalten kann diese Säure nicht. Wohl aber Keime abtöten. So wird gesichert, dass die Ernährung uns nicht zur gesundheitlichen Bedrohung gerät. Gleichzeitig schafft die Magensäure auch wichtige Voraussetzungen für die Eiweißverdauung.
Pepsin kann, wie alle Eiweiß-verdauenden Enzyme, nicht zwischen Körper- und Nahrungseiweißen unterscheiden. Um Selbstverdauung zu vermeiden, ist unser Verdauungstrakt deshalb nicht nur mit einer dicken Schleimschicht ausgekleidet, sondern die Enzyme werden zunächst auch in inaktiver Form gebildet. Beim Pepsin ist dazu der Ort, an den sich Eiweiß und Wasser zur Katalyse der Spaltung anlagern müssen, durch einen kurzen Enzymabschnitt deckelartig verschlossen. Der Deckel muss weg. Das wird durch die Säure initiiert und durch bereits aktiviertes Pepsin fortgesetzt. Für das aktive Pepsin schafft die Salzsäure mit einem niedrigen pH-Wert des Magensaftes optimale Wirkungsbedingungen.
Und noch etwas. Die oft kugelförmigen Eiweiße bieten nur wenige Angriffsorte. Unter der Einwirkung der Säure falten sich die kompakten Strukturen auf und bisher verborgene Bereiche werden zugänglich. Denaturierung nennt man diesen Prozess. Die entfalteten Ketten bieten deutlich mehr Angriffsmöglichkeiten. Das Pepsin beginnt, unsere Brateneiweiße in Bruchstücke, Peptide genannt, zu spalten.
Der wichtigste Ort der Eiweißverdauung ist jedoch nicht der Magen, sondern der sich anschließende Dünndarm. Die meisten der dort wirkenden Enzyme werden von der Bauchspeicheldrüse geliefert: Trypsin und Chymotrypsin erzeugen immer kleinere Bruchstücke und gleichzeitig spalten andere Enzyme direkt Aminosäuren ab. Die werden durch die Darmzellen hindurch ins Blut transportiert. Parallel werden auch kleine Peptide in die Darmzellen aufgenommen und erst dort durch weitere Enzyme endgültig in Aminosäuren zerlegt. Proteine sind die Nahrungsbestandteile, die am häufigsten Allergien verursachen. Das kann auf verschiedenen Wegen geschehen und ist bis heute nicht völlig verstanden. Potentiell kann jedes Protein Allergien auslösen. Doch zum Glück sind die Eiweiße unseres Bratens für die meisten Menschen gut zu verdauen. Weihnachtsbraten gibt es ohnehin nur einmal im Jahr. Auch hat eine einmalige kalorische Sünde viel geringere Folgen, als stetige kleine. Wir sollten den Festtagsschmaus einfach entspannt genießen!